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  • AutorenbildEwa Aukett

Lost

Gestern kam das Album „Right Place, Wrong Person“ von RM (von BTS) raus und mit ihm der Song „Lost!“ – und ich glaube ich habe selten ein Lied, ein ganzes Album von jemandem so sehr innerhalb von 24 Stunden durchgesuchtet wie dieses. Die Musik hat so viel in mir angestoßen, mir so viele Momente gegeben, in denen ich mich „verstanden“ und „gesehen“ gefühlt habe, dass das Karussell in meinem Kopf sich erst mit zehnfacher Geschwindigkeit gedreht hat, um anschließend zum Stillstand zu kommen.

 

Und ENDLICH spüre ich die Ruhe, mich hinzusetzen, zu reflektieren und den Entschluss zu fassen, dass es Zeit für ein bisschen mehr Realität wird.



Das da – das bin übrigens ich – ungeschminkt, die Haare nach hinten gebunden, mit zu wenig Schlaf, zu vielen Kilos und gefühlt zu wenig Zeit und Möglichkeiten, um all die Dinge zu tun, die ich gern tun würde, um mein Selbst zu optimieren.

Ich hab's jetzt extra nicht schwarz-weiß eingefärbt, sonst hätte wieder irgendwer gedacht, ich bin tot ... BIN ICH NOCH NICHT! 🤪

 

Der letzte Blog auf meiner Homepage ist von März, mein letzter aktiver Social-Media-„Auftritt“ war sogar im Januar … in dieser schnelllebigen interaktiven Welt bin ich mindestens scheintot, denn wenn du „gesehen“ werden willst, musst du ja eigentlich JEDEN TAG posten. So predigen es dir alle, vom Influencer bis zum Marketincoach, vom Agenten bis zu zahllosen KollegInnen.

 

Dieser Druck, eigentlich dauerhaft präsent sein zu müssen, um Reichweite zu generieren, hat mich in den vergangenen Monaten immer heftiger belastet. Vor Allem weil ich’s nicht gebacken bekommen habe, weil ich keine Ahnung habe, was ich posten soll … die Hälfte der Zeit habe ich das Gefühl, meine Beiträge werden ohnehin nicht gesehen und die andere Hälfte der Zeit, fühle ich mich, als würde ich damit mehr oder weniger jeden „belästigen“, dem sie auf den Bildschirm gespült werden.

 

Hinzu kommt, ich bin ambivalent – d.h. es gibt durchaus Lebenssituationen, in denen ich extrovertiert sein kann (z.B. reden wie ein Wasserfall, die eigene Meinung lautstark vertreten, herumalbern ohne Rücksicht auf Verluste), wenn ich mit Menschen zusammen bin, bei denen ich mich wohlfühle und zu denen ich eine ehrliche Verbindung spüre.

Adressiert an frühere Menschen in meinem Leben, die sich über genau diese Tatsache gewundert haben: Ja, es lag an EUCH!!!

Der introvertierte Teil meines Charakters, der lieber im Hintergrund bleibt, still beobachtet und sich über seine Mitmenschen wundert, den so gar nichts ins Rampenlicht zieht, ist allerdings deutlich, DEUTLICH größer.

Ich bin eine Geschichtenerzählerin. Allerdings keine, die dafür auf einer Bühne vor Publikum stehen möchte. Ich würde euch gern teilhaben lassen an meinem Leben, meinem Schaffensprozess usw. usf. – aber ich will niemandem all diese Dinge aufzwingen – und bei jedem Post, jedem Blog, jedem winzigen Lebenszeichen (auch diesem hier, wo ich bis zum Ende unsicher sein werde, ob ich das wirklich genau SO ins Internet stellen will), habe ich das Gefühl ungefragt anderen Menschen ein Stück von mir „aufzuzwingen“.

DU magst das nicht so empfinden, aber in mir schaut’s genauso aus, und diese Urangst sitzt ganz tief in mir fest. Das macht alles noch schwerer, wenn man eh gerade in einer Phase ist, wo man als Autorin nicht weiß, wie man weitermachen soll.

 

In den letzten zwei Monaten, habe ich keine einzige Zeile geschrieben. Ich habe tausend andere Dinge gemacht – gemalt, gelesen, YouTube leergeschaut, einen Teil meines Büros renoviert, das Chaos von Haushalt von einer Ecke in die andere transportiert, meine Existenz als Schreibwaren-Messie hinterfragt und meine fast 3000-köpfige Stiftesammlung der letzten mindestens(!!!) 200 Jahre 😉 zu sortieren etc.pp – alles … nur um nicht zu schreiben.

 

Es ist keine Scheibblockade, auch kein Art-Block, es ist nicht so, dass mir die Ideen fehlen – die sind schon noch da und werden hin und wieder notiert … es ist der pure Unwille etwas zu tun, dass ich eigentlich liebe, aber sich gerade nicht korrekt anfühlt.RMs Song, sich als Person „falsch“ zu fühlen, während man an einem Ort ist, der doch eigentlich „richtig“ ist, hat meine Situation wirklich selten so auf den Punkt getroffen, wie gerade jetzt.

Und ich sag’s ganz ehrlich – wäre mir diese Situation, in der ich aktuell stecke, 5 Jahre früher zugestoßen, wäre ich nicht so relaxt gewesen wie jetzt. Ich hätte ALLES in Frage gestellt, meine gesamte Existenz. Ich hätte mich abends in den Schlaf geheult, Themen recherchiert, die ich nicht hätte recherchieren sollen und darüber gegrübelt, wie ich allem (einschließlich mir) ein Ende setzen kann, weil ich nicht mehr weiterwüsste. Es gab viele Moment in diesen fast 50 Jahren, in denen ich zu müde, zu erschöpft oder zu unglücklich war, um noch irgendwas Positives zu sehen und in denen Verzweiflung und Angst in mir so groß waren, dass ich einfach nicht mehr wollte.

Sicher ist meine mentale Ruhe jetzt z.T. auch der Tatsache geschuldet, dass ich älter geworden bin und vermutlich akzeptiert (oder resigniert!) habe – aber ich weiß, dass es vor Allem daran liegt, dass ich einen unerschütterlichen Ankerpunkt in meinem Leben gefunden habe, der mich wirklich so sehr erdet, dass ich einfach bereit bin einfach trotzdem weiterzumachen.

 

Vor über elf Jahren habe ich mein erstes Buch im Selfpublishing über den Distributor BookRix veröffentlicht – unlektoriert, mit einem grauenhaften Cover, ohne Korrektorat. Ich habe in keiner Sekunde ernsthaft gerechnet, dass auf diesem riesigen Markt irgendjemand es überhaupt liest, geschweige denn das jemand dafür Geld bezahlen würde. Von Insta und Facebook hatte ich keine Ahnung, Social Media war zu dem Zeitpunkt nicht ansatzweise so ein Thema wie heute. Dennoch gab es Menschen, die einem Niemand wie mir eine Chance gegeben haben.

Die erste Bewertung war ein wahres Loblied, voller Begeisterung und Enthusiasmus, etwas das mich mit totaler Freude erfüllte. Kurz darauf folgte die erste Kritik – vorwiegend mit Bezug auf die katastrophale Rechtschreibung und Zeichensetzung. Sie hat mich zu Boden geschmettert und wortwörtlich in Tränen ausbrechen lassen – und ich habe schnell gemerkt, dass negative Rezensionen, Kritik und all die schlechten Einflüsse sich viel stärker auf mich auswirken und die innere Nörglerin in mir viel mehr befeuern, als jedes Lob und jede Form von Begeisterung mich dahingegen stärken können.

 

Trotzdem … mein erstes Buch – mit diesem selbstgebasteltem Scheißcover (sorry, aber ist so) und voller Fehler – ist wie eine Rakete in die Top10 bei Amazon gestartet. Ich hatte Erfolg – unerwartet und wirklich überraschend. So viel Erfolg, dass BookRix mich damals anschrieb, mir ein Korrektorat anbot und bei der nächsten Veröffentlichung das Risiko einging, mich sogar offiziell mit einem Honorar [1] zu unterstützen, wie es sonst nur große Verlage tun.

Natürlich gab es die Neider, die sich darüber echauffierten, dass die anschließende Zweitveröffentlichung „gesponsert“ war und wieso so ein Schund mit einem halbnackten Mann auf dem (diesmal professionellen) Cover auch noch so prominent beworben wurde. Aber es kam an und auch Buch Nummer zwei war mehr als erfolgreich. Ich hatte das Gefühl endlich MEINEN Platz gefunden zu haben.

 

Ich war bereit mein ganzes Leben auf den Kopf zu stellen und da ich gerade erst in die Arbeitslosigkeit gerutscht war, war es die große Chance für mich einen neuen Weg einzuschlagen. Also habe ich die unangenehmen Gänge zum Jobcenter gegen das Risiko der Selbstständigkeit eingetauscht. Etwas, dass ich niemals riskiert hätte, wenn ich in der Nähe einen ordentlich bezahlten Job mit gutem Arbeitsklima gefunden hätte.

Es hat sich toll angefühlt nach all den Jahren voller Sorgen und Nöte etwas tun zu dürfen, dass ich wirklich liebe und damit auch noch meine Existenz sichern zu können. Ich habe mir keine Gedanken über Social Media oder Reichweite gemacht. Ich habe mich nur aufs Schreiben konzentriert, hin und wieder ein Lebenszeichen von mir gegeben und gemeinsam mit meinen LeserInnen gefeiert, wenn die nächste Veröffentlichung an den Start gegangen war. Ich habe gelernt, was ein gutes Cover für Auswirkungen hat, wie wichtig Lektorat und Korrektorat sind und wie großartig es sich anfühlt nicht nur ein tolles Team im Hintergrund zu haben, das einen unterstützt, sondern auch eine begeisterte Community. All das ist gewachsen und ich bin so dankbar für all die tollen Gespräche und Kontakte, die ich über die Jahre führen und erleben durfte.

 

Die ersten Jahre ist das alles auch ziemlich gut gelaufen. Ich konnte Erfolge für mich verbuchen, ich bin regelrecht übergesprudelt vor Kreativität, teilweise sogar in dem Maße, dass ich ein ganzes Buch mit mehr als 500 Taschenbuchseiten in weniger als vier Wochen geschrieben, korrigiert und sogar veröffentlich habe.

Ich bin ehrlich, ich vermisse diese Zeiten sehr, in denen ich einfach nur drauflos geschrieben habe, statt mir um alles und jeden Gedanken machen zu müssen. Wir waren alle viel sorgloser und unbedarfter. Ich durfte noch Autorin sein und mich auf das Konzentrieren was wichtig war. Heute habe ich oft das Gefühl, dass ich neben den ganzen privaten Baustellen, bei denen die vermeintliche „Unterstützung“ auch mehr als dürftig ausfällt, noch zusätzlich Entertainerin, Marketing-Spezialistin und Social-Media-Star sein muss, obwohl ich von alldem doch überhaupt keine Ahnung habe.

 

Als 2018 Krankheit und Angst bei mir einzogen, habe ich den ersten Schlag vor den Bug bekommen und meine Zuversicht die ersten großen Risse. Plötzlich die privaten Probleme zu bewältigen und trotzdem irgendwie weiterzumachen und zu funktionieren, war eine echte Gratwanderung. Ich hab’s hinbekommen – aber mit dem Ergebnis eines zerstörten Schlaf-Wach-Rhythmus, täglichem Bauchweh und ganz viel Furcht vor der Zukunft. Von außen folgten Vorwürfe, dass ich nicht mehr effektiv genug arbeite, dass ich nicht genug Zeit für Freunde und soziale Kontakte habe. Gefühlt sollte ich auf tausend „Partys“ gleichzeitig sein, mich aber dabei nicht selbst verlieren … das hat die nächsten Jahre angehalten und ist eher schlimmer statt besser geworden.

Ich habe zwischendurch wieder angefangen zu malen, um einen Ausgleich zu finden. Es wurde zunehmend schwerer Geschichten zu schreiben, weil meine eigenen Ansprüche immer höher wurden und ich einfach nicht mehr „drauflos“ schreiben konnte wie früher.

Man will mehr und mehr Qualität liefern und möglichst professionell sein. Doch plötzlich muss man sich auch an Konzepte halten, alles bis ins Kleinste vorbereiten, Helden-Reise, Storytelling, Dramaturgie, Weltenbau, logische Zusammenhänge, Plotlöcher etc. pp. Es ist, als dürfe man das wirre, bunte Durcheinander im Kopf nicht mehr einfach runterschreiben, sondern muss alles in Schablonen und Schubladen pressen, damit man daraus nach Schema F, L, R oder XYZ arbeiten kann – und komm bloß nicht auf die Idee irgendwelche Genres zu vermischen, gefühlter Worst Case!

Das hat sich wirklich über Jahre gezogen und immer weiter aufgebaut.


Explizit in den Monaten vor meiner jetzigen „Pause“ habe ich an so vielen Seminaren und Workshops teilgenommen, so viele Videos gesehen, wie man effektiver, funktioneller und erfolgreicher werden kann, wie man bessere Geschichten schreibt, warum Pitches und Exposés so essentiell sind und das man ja einfach NIEMAND ist, wenn man nicht tagtäglich von seinem Autorenleben postet.

Es gab so unfassbar viel Input.

 

Aber weißt du, was ich dabei nicht gelernt habe?

Wieso ich nicht mehr glücklich bin mit dem, was ich tue, wenn ich mich doch eigentlich an den Plan halte? Es ändert sich nichts. Ich bin immer noch gefühlt unsichtbar, erfolglos und selbst im Verbund mit Profis (und ich mein damit nicht meine KollegInnen) eher allein auf weiter Flur, als im gleichen Boot wie es früher mal der Fall war.

Ich bin auch – trotz Selbstständigkeit – nicht 24/7 NUR Autorin.

Es fällt mir schwer ständig nur Buch-Kontent, schöne Bilder und Textausschnitte zu posten, wenn ich die halbe Zeit auf zwei Jobs tanze und dazu noch Pflegerin, Bankberaterin, Chauffeurin, Haushaltshilfe, Putzfrau, medizinisches Hilfspersonal, Zoofachkraft und AvD [2] bin … aber es wird mir suggeriert, dass genau diese Dinge eben nichts in meinem Autorenaccount zu suchen haben. Keine Katzenfotos, kein Bild von der Müslischüssel oder Teetasse, kein Reel von einem Spaziergang mit den „weißen Wanderern“ – aber auf der anderen Seite beschweren sich LeserInnen dann, dass man nur dann was von mir hört, wenn ich ein neues Buch veröffentliche, weil ich für alles andere vorher einfach keine Kraft und keine Zeit habe. Es ist, als würde ich mich blind in einem Minenfeld bewegen.

Ich weiß nicht, wie andere AutorInnen das so handhaben, explizit wenn ihr noch zusätzlich Kinder habt … habt ihr einen Stundenplan, an den ihr euch total diszipliniert haltet? Wie bewahrt ihr euch eure Motivation? Was macht ihr, wenn ihr ausgelaugt, müde und erschöpft seid, aber sobald ihr im Bett liegt, nicht schlafen könnt, weil euer Kopf durchdreht? Wie schafft ihr es morgens aufzustehen und vor allem den Tag über durchzuhalten, obwohl ihr die halbe Nacht nur herumgewühlt habt, statt zur Ruhe zu kommen? Wie schafft ihr es nicht mit dem Kopf auf die Tastatur zu knallen, weil euch die Augen zu fallen, während ihr auf den Bildschirm starrt und euer Hirn genau in dem Moment in den Energiesparmodus schaltet, in dem ihr doch eigentlich produktiv sein solltet? Teil dein Wissen mit mir, bitte – ich bin nach wie vor neugierig und sehr dankbar für effektive Tipps.

 

In den letzten Jahren habe ich einige Neu-AutorInnen unterstützen dürfen, ihnen von meinen Erfahrungen berichten zu können, sodass sie sich nicht alles selbst zusammensuchen müssen wie ich vor all der Zeit und ich mache das nach wie vor sehr gern. Dennoch weiß ich natürlich nicht alles.

Gleichzeitig hinterlässt aber auch jede Neuveröffentlichung, die ich vom Seitenstreifen aus beobachte, ein flaues Gefühl in mir – und ich frage mich ein bisschen besorgt: Geht es euch irgendwann auch so wie mir? Dass ihr den Spaß verliert? Dass das Schreiben sich mehr nach Pflicht als nach Freude anfühlt, weil die Selbstzweifel und -kritik so hart reinkicken, dass ihr nicht mehr vorankommt und dass ihr euch allein fühlt, selbst wenn ihr euch mit anderen austauscht, denen es ganz ähnlich geht? Wie steckt ihr Niederlagen, dumme Sprüche und Misserfolge weg?

 

Ich habe schon mehrfach sehr widerwillig Jobs gemacht, die ich nicht machen wollte, weil ich keine andere Wahl hatte – wenn du in einem Angestelltenverhältnis bist, geht das eine Weile gut und irgendwann versuchst du diese Situation zu ändern, indem du dir was anderes suchst. Mit ein bisschen Glück und gutem Willen, funktioniert das auch - hast du allerdings dieses Glück nicht, hast du die Arschkarte. Wenn du selbstständig bist, einen kreativen Weg eingeschlagen hast, der eigentlich dein Lebenstraum ist, nachdem du jahrelang nur um der Notwendigkeit willen andere Jobs gemacht hast, dann ist es hart sich mit all diesen Bedenken auseinanderzusetzen. Wenn ich mental nicht so leer wäre, könnte ich vermutlich einfach tief durchatmen und loslegen, aber ich bin wie eingefroren … so wie neulich, als ich in meinem Schlafzimmer stand und mich gefragt habe, wo ich mit dem Aufräumen anfangen soll, weil ich das Chaos nur von einer Ecke in die andere hätte verlegen können, ohne dadurch einen nennenswerten Effekt von Ordnung zu erreichen. Also hab ich’s ganz bleiben lassen.

 

Viel zu selten reden wir darüber, wie einsam es manchmal sein kann, kreativ zu sein – und gleichzeitig wie frustrierend, es nicht zu sein, weil du ständig aus deinem Gedankenfluss herausgerissen und unterbrochen wirst oder weil du blockiert bist und dich irgendwas oder irgendwer (manchmal auch du selbst) aufhält.

Es kann schwer sein sich selbst zu motivieren, seine Kreativität nicht zu verlieren oder nicht von den Selbstzweifeln und dieser kleinen nörgelnden Stimme der inneren Kritikerin (Männer sind hier übrigens mitgemeint) dahingehend beeinflusst zu werden, dass die eigenen Geschichten es ja eigentlich gar nicht wert wären gelesen zu werden. Zwischen all den tausenden Veröffentlichungen ist man eine von vielen und trotz aller Medienpräsenz hat es auch viel mit Glück zu tun, tatsächlich gesehen zu werden.

 

Und dann sitze ich an diesem Text für meinen Blog und habe in den letzten Stunden knapp acht Seiten mit über 3000 Wörtern geschrieben, um meine Gedanken zu ordnen und mich zu sortieren,  und grüble im nächsten Moment: Wenn ich diese Zeit und Energie jetzt in eine Story investiert hätte, könnte ich schon weiter sein … ist das nicht ätzend?

 

Also nein, kreativ sein, indem man schreibt, musiziert, malt, töpfert was auch immer, ist nicht immer nur Friede-Freude-Eierkuchen. Es hat ganz viel mit Selbstzweifeln zu tun, damit den inneren Schweinehund jeden Tag aufs Neue in den Arsch oder wenigstens zur Seite treten zu können. Es bedeutet auch Scheißtage zu haben, an denen nix geht. Tage die sich manchmal zu Wochen oder Monaten hinziehen können.

 

Letzte Woche habe ich ein tolles Buch gelesen, „Alles nur geklaut“ von Austin Kleon – und ich habe mir auch gleich Buch Nummer 2 und 3 geholt, die sich weitergehend mit dem Schreiben, diversen Blockaden und wie man sie wieder los wird beschäftigen.

Eine sehr einprägende Textstelle in diesem Buch war für mich folgende: „Die Frage, die jeder junge Schriftsteller an einem gewissen Punkt stellt, ist: »Worüber soll ich schreiben?« Die Standardantwort lautet: »Schreib über das, was du kennst.« Dieser Rat führt immer zu schrecklichen Geschichten, in denen nichts Interessantes passiert.“

Und ich habe das soooo sehr gefühlt. Wie oft habe ich in all den Jahren genau diesen Satz zu hören bekommen?!? Und ja, ich schreibe jetzt gerade über das, was ich kenne, was ich fühle, denke und was mich aufwühlt … aber ein Blog ist kein Buch – ich will kein ganzes Buch mit meinem Alltag oder meinen Sorgen und Ängsten füllen. Ich will schreiben, was ich selbst lesen will (auch etwas, das Austin mir wieder vor Augen geführt hat) und ich will mich nicht an Konzepte, Vorgaben oder Schablonen halten müssen. Ich will wieder schreiben wie früher: aus dem Bauch heraus, mit Spaß und das, was mir gerade so in den Sinn kommt.

Trotzdem ist es okay, nicht NUR schreiben zu wollen – und diesen Prozess habe ich wirklich erstmal wieder verinnerlichen müssen. Es ist völlig in Ordnung auch andere Dinge tun zu wollen. Zu malen, zu basteln, kreativ zu sein und all diese Dinge miteinander verknüpfen zu wollen. Es ist absolut okay, schöne Dinge zu genießen, die einem ein Wohlgefühl schenken und befriedigen, Serien und Filme zu konsumieren, Musik zu hören oder ein gutes Buch zu lesen und den inneren kreativen Speicher auch einfach mal aufzufüllen, wenn er leer ist.

 

Ich bin – heute – in der glücklichen Position mich nicht mehr ständig mental am Rand eines gähnenden tiefschwarzen Abgrundes zu bewegen, wie es mir früher so oft gegangen ist. Die Depressionen, mit denen ich zu tun habe, sind nicht geheilt und sie sind ein großer Faktor, der ebenfalls auf meinen Schaffensprozesse, meine Arbeit und meinen ganzen Alltag Einfluss nimmt, aber ich kann dennoch besser damit umgehen, als es vor gar nicht allzu langer Zeit noch der Fall war. Mit dazu beigetragen haben 7 junge Männer aus Südkorea, denen meine Existenz nicht mal bewusst ist – und ich weiß, dass das teilweise von Freunden und Bekannten mit einem zwar nachsichtigen, aber doch auch skeptischen und fast schon mitleidigen Kopfschütteln belächelt wird, weil sie meine Leidenschaft dafür und meine Freude daran nicht mal im Ansatz nachvollziehen können oder wollen. Das ist okay, denn ich weiß, ich bin trotzdem nicht der einzige Mensch auf dieser Welt, dem es so geht. Da gibt es noch sehr viele andere – und selbst wenn ich vermutlich niemals ein Konzert von ihnen persönlich besuchen kann, geben sie mir so viel Zuversicht und ein Gefühl von Hoffnung, das mir lange gefehlt hat.

Ich habe mich in den letzten Monaten wirklich verloren gefühlt, trotz Überlegungen und Ideen nicht gewusst, wie ich weitermachen soll und was als nächstes kommt. Gestern habe ich auf kreative, hörbar angenehme Weise den Anstoß bekommen, den ich brauchte, um endlich weiterzumachen – auf meine Art, in meinem Tempo und mit dem, was ich will.

 

Ich werde nicht gleich morgen anfangen tagtäglich etwas zu posten, aber ich werde jetzt langsam zu euch zurückkommen und ich freue mich über dich und jede Leserin, jeden Leser, alle die mich begleiten und daran teilnehmen, was ich mit euch teilen möchte und für die es okay ist, dass es bei mir künftig nicht nur Buch-Content geben wird, sondern auch viele andere Dinge, mit denen ich mich so beschäftige. Und wer genau das nicht sehen möchte, der folgt mir einfach nicht bei Social-Media, liest allenfalls die Bücher und lebt ansonsten sein eigenes Leben – das ist völlig in Ordnung. In diesem Sinne wünsche ich euch ein paar schöne letzte Maitage, genießt das Wetter, bereitet euch gut auf den Sommer vor und trinkt ausreichend. Ich schicke an euch alle da draußen, die es brauchen eine feste Umarmung – wäre die ganze Welt einfach netter zueinander, wäre sie ein deutlich friedlicherer Ort.


[1] Honorar bedeutet übrigens, dass das investierte Geld dem Autor/der Autorin später vom Gewinn wieder abgezogen wird – also nix mit Sponsoring oder „geschenkt“

[2] Arsch von Dienst

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